Ein Abgesang auf Bestpreisklauseln
Am 18. Mai 2021 hat der BGH seine Entscheidung in Sachen „booking.com“ verkündet (Bundesgerichtshof, Kartellsenat, Beschluss vom 18. Mai 2021 – KVR 54/20). Im Ergebnis folgt der BGH der Entscheidung des Bundeskartellamts. Die engen Bestpreisklauseln von Booking verstoßen gegen das Kartellrecht. Während derzeit noch auf die schriftlichen Urteilsgründe gewartet werden muss, haben wir die wesentlichen Aspekte der Entscheidung hier bereits zusammengefasst:
Hintergrund
Bestpreisklauseln (oder auch MFN/Most Favoured Nation oder Preisparitätsklauseln) sollen den Effekt haben, dass die begünstigte Partei stets den besten Preis bekommt bzw. diesen an die eigenen Kunden weiterreichen kann. In der Plattformökonomie haben Bestpreisklauseln daher lange Zeit eine besondere Bedeutung gewonnen, denn Plattformen sind umso attraktiver für den Endkunden, wenn diesem eine „Bestpreisgarantie“ gegeben werden kann, der Nutzer also weiß, dass er nach dem Besuch der Plattform nicht mehr weiter nach besseren Preisen im Internet suchen muss. Hieran lässt sich jedoch bereits der erhebliche Sogeffekt ablesen, den Bestpreisklauseln im Wettbewerb der Plattformen haben können. Verbunden mit den plattformtypischen direkten und indirekten Netzwerkeffekten kann dies daher ganz erhebliche wettbewerbliche Auswirkungen bis hin zu einem „Tipping“ des Marktes haben.
Allgemein lässt sich insoweit zwischen engen und weiten Bestpreisklauseln unterscheiden. Weite Bestpreisklauseln sollen verhindern, dass der Anbieter nirgendwo einen besseren Preis zeigt als auf der Plattform. Enge Bestpreisklauseln werden hingegen im Regelfall so verstanden, dass der Anbieter hierdurch nur auf seiner eigenen Website keinen besseren Preis zeigen darf als auf der Plattform.
In der nun erfolgten Entscheidung des BGH ging es um „enge“ Bestpreisklauseln, die von Booking gegenüber den Hotelbetreibern verwendet wurden. In 2015 hatte das Bundeskartellamt festgestellt, dass die enge Bestpreisklausel kartellrechtswidrig sei, und ihre weitere Verwendung untersagt. Hiergegen wandte sich Booking mit dem Rechtsmittel der Beschwerde an das OLG Düsseldorf. Auf die Beschwerde hin hat das OLG die Verfügung des BKartA im Juni 2019 aufgehoben (OLG Düsseldorf - Beschluss vom 4. Juni 2019 – VI-Kart 2/16 (V)). Zwar kam auch das OLG Düsseldorf zu dem Schluss, dass die Bestpreisklausel eine Wettbewerbsbeschränkung sei. Dennoch hielt das Gericht die Klausel für kartellrechtlich unbedenklich, da die Klausel aus Sicht des Gerichts eine notwendige Nebenabrede zu einem ansonsten kartellrechtsneutralen Vertrag sei (sog. Immanenzgedanke). Das Gericht ging davon aus, dass die Bestpreisklausel notwendig sei, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten als Portalbetreiber und den vertragsgebundenen Hotels als Abnehmer der Vermittlungsdienstleistung zu gewährleisten.
Entscheidung des BGH
Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Beschwerde von Booking zurückgewiesen. In der Entscheidung setzt sich der BGH mit der Anwendbarkeit des Immanenzgedankens, einer Freistellung der Klausel über Art. 2 der Vertikal-GVO und einer Einzelfreistellung auf der Basis von Art. 101 Abs. 3 AEUV auseinander.
Im Hinblick auf die Anwendung des Immanenzgedankens tritt der BGH dann dem OLG entgegen. Anders als das OLG hält der BGH die enge Bestpreisklausel nicht objektiv notwendig für die Durchführung des Dienstleistungsvertrags zwischen Hotels und Plattform. Der BGH stützt sich insoweit auf die Ermittlungen des Bundeskartellamts, die im Nachgang zur Entscheidung des OLG durchgeführt wurden. Danach konnte Booking seine Marktstellung auch ohne Anwendung der Bestpreisklausel in Deutschland in Bezug auf Umsatz, Marktanteil, Buchungsmengen, Zahl der Hotelpartner und Anzahl der Hotelstandorte weiter stärken. Eine Notwendigkeit der Klausel sei insoweit nicht erkennbar.
Sodann ging der BGH auch auf eine grundsätzlich mögliche Freistellung der Bestpreisklausel auf der Basis von Art. 2 Abs. 1 der Vertikal-GVO ein. Da der Marktanteil von Booking auf dem relevanten Markt der Hotelbuchungsplattformen in Deutschland jedoch mehr als 30 % beträgt, schied eine Freistellung auf der Basis von Art. 2 Abs. 1 aus.
Zuletzt setzt sich der BGH mit der Möglichkeit einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV auseinander. Hier betonte der BGH die Notwendigkeit der sorgfältigen Abwägung der wettbewerbsfördernden mit den wettbewerbsbeschränkenden Aspekten. Im Ergebnis verneinte der BGH jedoch die Möglichkeit einer Einzelfreistellung. Zwar führe der Betrieb einer Hotelbuchungsplattform zu erheblichen Effizienzvorteilen. Nach Auffassung des BGH werden diese Effizienzvorteile jedoch auch ohne die enge Bestpreisklausel generiert. Ein mögliches Trittbrettfahrerproblem erkennt der BGH insoweit zwar an (Nutzung der Plattform zur Information und Buchung auf anderem Wege). Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts soll dieses Problem hingegen die Effizienz des Plattformangebots nicht gravierend gefährden. Dem steht dann auf der anderen Seite eine erhebliche Behinderung des eigenen plattformunabhängigen Onlinevertriebs der Hotels entgegen. Aus Sicht des BGH war daher kein Raum für eine Einzelfreistellung der Klausel nach Art. 101 Abs. 3 AEUV.
Fazit
Auch wenn man im Ergebnis auch die schriftliche Urteilsbegründung in Ruhe analysieren sollte, ist mit der Entscheidung des BGH der fortlaufende Trend im Hinblick auf Bestpreisklauseln ungebrochen. Bestpreisklauseln werden überwiegend in Europa sehr kritisch gesehen. Und auch wenn nach der Entscheidung des BGH eine grundsätzliche Freistellung von Bestpreisklauseln durch die Vertikal-GVO bei entsprechend geringen Marktanteilen noch möglich erscheint, sollten sich Unternehmen hierauf nicht verlassen. In der aktuell laufenden Überarbeitung der Vertikal-GVO mehren sich die Anzeichen, dass die bislang grundsätzlich mögliche Freistellung in der Zukunft entfallen dürfte und Bestpreisklauseln vollständig dem Schutzbereich der Vertikal-GVO entzogen werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die Geschäftsmodelle von Plattformbetreibern auswirken wird, da künftig zumindest das Versprechen einer Preisgarantie schwierig werden dürfte und somit eher andere Wettbewerbsfaktoren wie etwa zusätzliche Serviceangebote in den Vordergrund rücken könnten.