amazon hat überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb - BKartA veröffentlicht den Feststellungsbeschluss
Wenige Tage vor dem Inkrafttreten des Digital Markets Act auf europäischer Ebene, hat das Bundeskartellamt am 26. Oktober 2022 seinen Beschluss zur Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung im Sinne des durch die 11. GWB-Novelle eingeführten § 19 a der amazon.com, Inc. veröffentlicht (siehe hier. Der Beschluss ist überaus umfassend begründet und gibt einen weitreichenden Überblick über die Aktivitäten und die Marktstellung von amazon in den jeweiligen Tätigkeitsgebieten. Das Bundeskartellamt beschreitet damit weiter den Weg zu einer effektiven Regulierung großer Digitalkonzerne, während der DMA aufgrund der Geltungsregelung in Art. 54 DMA erst mit dem 2. Mai 2023 seine volle Wirkung entfalten wird.
§ 19a GWB sieht grundsätzlich ein zweistufiges Verfahren vor, wonach zunächst das Bundeskartellamt feststellen muss, dass ein Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung hat. Mit dem ergangenen Feststellungsbeschluss werden amazon jedoch noch keine bestimmten Verhaltensweisen untersagt oder Vorwürfe gemacht. Der Beschluss zur Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung ist jedoch der erste Schritt hin zu einer Untersagungsverfügung nach § 19a Abs. 2 GWB. Es bleibt daher zunächst abzuwarten, welche konkreten Verhaltensweisen des Unternehmens das Bundeskartellamt für die Zukunft untersagen wird.
Hierdurch eröffnen sich indirekte Rechtsschutzmöglichkeiten insbesondere für Wettbewerber, aber auch in einer sonstigen Geschäftsbeziehung zu amazon stehenden Unternehmen. In der Praxis sprechen oft gewichtige Gründe gegen die Anstrengung eines Missbrauchsverfahren, wie etwa mögliche Belastungen einer notwendigen Geschäftsbeziehung und nicht zuletzt auch reale Kostenrisiken. Nachdem der Feststellungsbeschluss jedoch ergangen ist, dürfte das Bundeskartellamt ein Interesse daran haben, Informationen zu missbräuchlichen Verhaltensweisen des Unternehmens zu erhalten. Die weiteren Entwicklungen bleiben abzuwarten.
Der veröffentlichte Beschluss ist aber noch aus weiteren Gründen interessant: Die Entscheidungsfreudigkeit des Bundeskartellamts hinsichtlich der Anwendung des § 19a GWB lässt vermuten, dass das Amt sich auch nach Inkrafttreten des DMA nicht auf die dort vorgesehene, eher unterstützende Rolle zurückziehen wird. Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren kontrovers geführte Diskussion über die Rolle der nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Regulierung großer Digitalkonzerne bleibt damit weiter spannend. Darüber hinaus beinhaltet der 289 Seiten umfassende Beschluss umfassende Ausführungen zur Marktmacht und dem Geschäftsgebaren von amazon. Diese dürften für die Betreibung etwaiger kartellrechtlicher Verfahren interessant sein und diese erleichtern. Auch bleibt abzuwarten, ob das Bundeskartellamt eventuelle Untersagungsverfügungen allein auf § 19 a GWB oder auch auf § 19 stützen wird, um so dem Konflikt mit dem DMA möglicherweise aus dem Weg gehen zu können.
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