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EU-Verordnung über Drittstaatensubventionen - Auswirkungen auf die M&A-Praxis

Am 12.1.2023 ist die neue EU-Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen in Kraft getreten (Verordnung (EU) 2022/2560 – Foreign Subsidies Regulation oder FSR). Die neue Verordnung führt ein neues Prüfverfahren ein und kann erhebliche Auswirkungen auf die M&A-Praxis haben.

Hier die wichtigsten Aspekte:

Einführung
Die Europäische Kommission (Kommission) und die Mitgliedstaaten beobachten bereits seit längerer Zeit, dass Subventionen von Drittstaaten den Binnenmarkt erheblich verzerren können. Während Beihilfen und Subventionen der Mitgliedstaaten mit dem europäischen (und nationalen) Beihilfenrecht einem Kontrollregime unterworfen sind, findet bisher eine Kontrolle von Subventionen durch Drittstaaten nicht statt. Dies ändert sich nun durch die Einführung der FSR.

Ein Teil der neuen Kontrollen bezieht sich auf M&A-Transaktionen, die einem neuen Prüfverfahren unterworfen werden können.

Das neue Prüfverfahren steht neben den europäischen und nationalen Fusionskontroll- und auch Investitionskontrollvorschriften. D.h. es sind parallele Prüfverfahren sowohl bei der Kommission wie auch bei den Mitgliedstaaten und der Kommission möglich.

Parameter der Anmeldepflicht
Mit der Verordnung werden neue Anmeldepflichten eingeführt, die auf bestimmten Umsatz- und Zuwendungsschwellen beruhen. Die Anmeldepflicht wird durch ein Vollzugsverbot flankiert.

Es besteht eine Anmeldepflicht für M&A-Transaktionen, die auf den Erwerb der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle oder die Gründung eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens gerichtet sind, wenn

  • das erworbene Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen in der EU ansässig ist und im letzten Geschäftsjahr in der EU einen Gesamtumsatz von mindestens EUR 500 Mio. erzielt hat; und

  • die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren insgesamt drittstaatliche finanzielle Zuwendungen von mehr als EUR 50 Mio. erhalten haben.

Wichtig ist ein erheblicher Unterschied im Bewertungsmaßstab der beiden Schwellen. Während sich der Umsatzwert nur auf die genannten Unternehmen bezieht (bei einem Kontrollerwerb spielen also die Umsätze des Erwerbers keine Rolle), wird bei den „finanziellen Zuwendungen“ auf die „beteiligten Unternehmen“ geschaut. Hier fließen also auch finanzielle Zuwendungen bspw. an den Erwerber in die Betrachtung mit ein.

Der Begriff der „finanziellen Zuwendungen“ in Art. 3 (2) der Verordnung ist sehr weit. Erfasst werden insbesondere auch Maßnahmen, die ggf. keine klassische Subvention darstellen:

  • Zu den „finanziellen Zuwendungen“ gehören etwa die Übertragung von Mitteln oder Verbindlichkeiten wie Kapitalzuführungen, Zuschüsse, Kredite, Kreditgarantien oder Bürgschaften, Steueranreize, der Ausgleich von Betriebsverlusten, der Ausgleich für finanzielle Belastungen durch die öffentliche Hand, ein Schuldenerlass, Schuldenswaps in Eigenkapital oder Umschuldungsmaßnahmen. Gleichermaßen können aber auch der Verzicht auf fällige Einnahmen (wie etwa Steuerbefreiungen) oder die Bereitstellung oder der Kauf von Waren oder Dienstleistungen erfasst werden.

  • Als relevanter Zuwendungsgeber kommen nicht nur drittstaatliche Regierungsbehörden, sondern auch alle öffentlichen und sogar privaten Einrichtungen in Betracht, deren Handlungen dem Drittstaat zugerechnet werden können.

Sämtliche „finanziellen Zuwendungen“ aus allen Drittstaaten, die in den letzten drei Jahren vor der Anmeldung gewährt wurden, müssen zusammengerechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sie direkt oder nur indirekt mit der Transaktion in Zusammenhang stehen. Die relevanten „finanziellen Zuwendungen“ erfassen nicht nur Zuwendungen, die direkt an die transaktionsbeteiligten Gesellschaften fließen. Zu berücksichtigen sind vielmehr alle finanziellen Zuwendungen, die der Unternehmensgruppe zugeführt wurden. Auch wenn nach eigener Prüfung keine Anmeldepflicht besteht, kann die Kommission eine Anmeldung verlangen, wenn sie vermutet, dass die beteiligten Unternehmen Subventionen von Drittstaaten erhalten haben könnten.

Prüfverfahren
Das Prüfverfahren ist dem Verfahren der europäischen Fusionskontrolle nachempfunden. Neben einem zu erwartenden informellen Vorverfahren zur Abstimmung der Anmeldung gibt es daher 2 Prüfungsphasen, die ab Einreichung einer vollständigen Anmeldung insgesamt bis zu 130 Arbeitstage bis zum Erlass einer Entscheidung erreichen können.

Auswirkungen auf die M&A-Praxis
Die neuen Regeln müssen im Rahmen von M&A-Transaktionen beachtet werden und stellen eine zusätzliche mögliche regulatorische Hürde dar. Eine eventuelle Anmeldepflicht muss rechtzeitig vor dem Signing geprüft werden. Bei bestehender Anmeldepflicht muss das Vollzugsverbot vertraglich entsprechend der Fusionskontrolle durch Closing Conditions abgedeckt werden. Gleichzeitig sollten Auskunftsrechte und Informationspflichten der Parteien vertraglich geregelt werden, da insbesondere die Zusammenstellung der relevanten Informationen erheblich seien können. Regelungen zur Risikoverteilung im Falle einer Untersagung der Transaktion können erwogen werden, auch wenn derzeit ohne Prüfungspraxis der Kommission die Entscheidungen kaum vorherzusehen sind. Nicht zuletzt sind die erforderlichen Prüfzeiträume im Timing der Transaktion und eventuellen Long-Stop-Dates zu reflektieren.

Geltung
Das neue Verfahren tritt mit dem 12. Juli 2023 in Kraft und gilt für alle Transaktionen, bei denen die Vertragsunterzeichnung ab dem 12. Oktober 2023 erfolgt.

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