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EU feilt an neuen Wettbewerbswerkzeugen

Diskussion um Marktmacht und Regulierung der Internet-Giganten gewinnt an Dynamik - Gastbeitrag von Reto Batzel in der Lebensmittel Zeitung von 6. November 2020, Ausgabe 45, Seite 26.

Frankfurt. Weltweit häufen sich Kartellverfahren und Beschwerden gegen die großen digitalen Plattformbetreiber. Berlin und Brüssel sehen Handlungsbedarf und wollen nicht nur die Macht der GAFA – Google, Amazon, Facebook, Apple – regulatorisch bändigen.

Das Kartellamt hat – mal wieder – ein neues Verfahren gegen Amazon eingeleitet, um dem Zusammenspiel der Plattform mit großen Markenherstellern auf die Spur zu kommen. Der Spieleentwickler Epic Games klagt gegen überhöhte Gebühren für die Nutzung des Apple App-Stores. Und kürzlich hat sogar das US-Justizministerium eine Klage gegen Google wegen Monopolisierung eingereicht.

Fast wöchentlich gibt es neue Meldungen über Verfahren gegen die sogenannten Big-Techs. Die Plattformnutzer fordern in ihren Beschwerden regelmäßig faire und diskriminierungsfreie Behandlung, schließlich seien sie auf die großen digitalen Plattformen angewiesen. Die Politik hat diese Beschwerden zwischenzeitlich erhört und verschiedene Initiativen mit dem Ziel auf den Weg gebracht, den verbleibenden Wettbewerb um die Plattformen zu schützen und die Plattformnutzung zu fairen Bedingungen zu ermöglichen. In Brüssel stehen zum Beispiel ein völlig neues kartellrechtliches Instrument („New Competition Tool“) und eine sogenannte Ex-ante-Regulierung großer Plattformen zur Diskussion. In Deutschland liegt der Regierungsentwurf zur 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit konkreten Vorschlägen für neue Regulierungsinstrumente auf dem Tisch.

Welche Schlüsse können Industrie und Handel aus dieser Entwicklung hin zu einer stärkeren Plattformregulierung ziehen? Die immensen kommerziellen Möglichkeiten der Plattformökonomie scheinen jedenfalls zu groß, um sich von der Gründung einer Plattform abschrecken zu lassen. Wer in einem bestimmten Marktsegment bei der Gründung einer Platt- form schnell ist, hat dank der plattformtypischen positiven Netzwerkeffekte gute Chancen, sich eine starke Marktposition zu sichern. Aktuell diskutierte regulatorische Instrumente könnten auch die erfolgreichen Plattformen der Zukunft treffen; dafür wird man kein Apple, Amazon und Co. werden müssen. Insbesondere das neue Regulierungsinstrumentarium des GWB ist insoweit relevant.

Aber auch das klassische Kartellrecht zum Schutz vor wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen enthält wichtige Vorgaben für Plattformstruktur und -betrieb. Schon der bloße Austausch wettbewerblich sensibler Daten unter den Plattformnutzern oder zwischen Nutzern und Plattform kann gegen das Kartellrecht verstoßen; dasselbe gilt für entsprechende Vereinbarungen erst recht. Hier kann das Kartellrecht besonders starke Implikationen für das Geschäftsmodell einer Plattform haben, insbesondere wenn bei der Strukturplanung die Vorgaben nicht von Anfang an berücksichtigt wurden.

Immer weitere B2B- und B2C- Plattformen werden in den kommenden Jahren entstehen und in Konkurrenz zu den etablierten Industrie- und Handelsunternehmen treten – die Aufmerksamkeit der Kartellbehörden für die Entwicklung der Plattformökonomie wird weiter zunehmen. Plattformbetreiber, aber auch -nutzer sollten sich daher mit den aktuellen Entwicklungen neuer Regulierung auseinanderzusetzen, aber ebenso mit den etablierten kartellrechtlichen Verhaltensregeln, die sie schließlich schon jetzt treffen. lz 45-20

Dr. Reto Batzel ist Gründungspartner der Kanzlei MARCK und war Leiter der Abteilung Competition und Compliance der Metro AG.

Der vollständige Artikel im PDF-Format kann hier abgerufen werden: Gastbeitrag - Lebensmittelzeitung vom 6.11.2020